Cöpenicker Sagen – 6. Das Pagendenkmal im Schloss

Wenn ihr durch den schönen Cöpenicker Schlosspark wandert, so wird euch auch jene Jünglingsgestalt auffallen, welche so schwermütig und versunken vor sich hinsieht und die Hand auf einen mächtigen Eberkopf gelegt hat. Über dieses Denkmal gibt es eine rührende Sage.

Im Gefolge des Kurfüsten Joachim II., der hier im Schlosse starb, befand sich ein Page, der seinem Herrn in seltener Treue ergeben war. Als der Kurfürst eines Morgens zur Eberjagd in die weiten Wälder der Müggelberge reiten wollte, beschwor der Jüngling seinen Herrn, von diesem Jagdzuge abzusehen, da ihm ein schwerer Traum geängstigt habe. Ein wütender Stier hätte sein Leben schwer bedroht. Lachend wehrte der Kurfürst den treubesorgten Pagen ab. Glücklich kehrte er auch mit einem riesigen Eber, den er eigenhändig erlegt hatte, am Abend ins Schloss zurück. Als man im Schein der Fackeln das gewaltige Tier besichtigte, bückte sich auch der Page am Kopfe des Ungetüms nieder. Da schlug der Eber, der anscheinend noch nicht ganz tot war, mit letzter Kraft seine Hauer in einen Schenkel des Pagen und brachte ihm eine tiefe Wunde bei, an deren Folgen der treue Diener zugrunde ging. Zum Andenken ließ der Kurfürst jenes Denkmal errichten.

Manche sagen, die Geschichte habe einen wahren Hintergrund, und ein Edelknabe namens von Schönfeld, soll auf so schreckliche Weise ums Leben gekommen sein. Doch weiß ich darüber nichts.

Die Männer aber, welche in dem Denkmal ein Kunstwerk sehen, meinen, hiermit verhalte es sich ganz anders. Der Jüngling mit dem Eberkopf habe nie einen deutschen Namen getragen wie ihr, sondern seine Heimat sei in Griechenland. Die Eltern gaben ihm als Vornamen Meleager. Meleager war bald durch seine Kraft berühmt und erlegte einen Eber, welcher sein Heimatland unsicher machte. Die Geschichte geht noch etwas weiter, sie interessiert uns aber nicht besonders [Anmerkung: Mehr zu der Geschichte hier].

Ihr werdet nun gewiss fragen, warum der Kurfürst gerade dem griechischen Meleager ein Denkmal errichten ließ. Das ist nicht allzuschwer zu beantworten. Kurfürst Joachim II. lebte in einer Zeit, welche sich sehr für die alten Griechen und Römer begeisterte und alles nachschaffen wollte, was sie einst an Bauten und Denkmälern, an Theaterstücken und Geschichten hervorgebracht hatten.

Ihr freilich hört heute viel mehr vom Götterglauben der Germanen; wenn ihr aber einmal in das Schloss geht und euch die Deckengemälde betrachtet, so werdet ihr schnell finden, dass auch hier alles nach Sagen des Altertums dargestellt ist. Wir haben heute eben einen ganz anderen Geschmack.

– aus Arno Jaster, Cöpenicker Sagen, 1931

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